
Nein zum Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern
,Kriegsstimmung an bayerischen Schulen und Hochschulen
Im Juli 2024 verabschiedete der Bayerische Landtag das „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern“ und noch immer lässt ein größerer Aufschrei auf sich warten. Dieses Gesetz umfasst den Zwang auf Kooperation bayerischer Hochschulen mit der Bundeswehr, wenn dies „im Interesse der nationalen Sicherheit erforderlich ist.“ Außerdem werden Zivilklauseln an bayerischen Hochschulen verboten. Und zu allem Überfluss ist damit festgelegt, dass bayerische Schulen mit Jugendoffizierinnen und Jugendoffizieren der Bundeswehr zusammenarbeiten. Verweigerung der Zusammenarbeit ist nicht vorgesehen. Das sog. Bundeswehrgesetz unterscheidet dabei nicht zwischen Bildungsinstitutionen, sondern greift in die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte ein und verletzt die Autonomie der Hochschulen. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dazu: “Wir sind die Partei der #Bundeswehr. Deswegen wird #Bayern ein eigenes Bundeswehrgesetz auf den Weg bringen. Es soll die Bundeswehr und Wehrindustrie bei Bildung und Forschung und im Bereich der Landesplanung mit Kooperationsgeboten und bei der Berufsberatung stärken.“ (von X, Account Markus Söder)
Unterstützung kam nicht nur von der CSU, sondern auch von den Freien Wählern und der SPD, die nach anfänglichem Zögern dann doch zustimmte.
Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) verteidigte das Gesetz und erklärte: „Nicht irgendwelche Uni-Gremien“ könnten den Forschungseinrichtungen die militärische Forschung verbieten. Respekt vor der Autonomie der Hochschulen scheint hier also komplett abhandengekommen zu sein.
Zwang zur Kriegspropaganda im Klassenzimmer
Für Schülerinnen und Schüler bedeutet das Gesetz, dass sie und ihre Eltern nicht mehr selbst entscheiden können, ob sie in ihrer Schule auf Jugendoffiziere der Bundeswehr treffen. Diese Uniformierten dürfen ihre Vorträge halten, auch wenn Lehrkräfte und Eltern dagegen sind. Es ist ein Gesetz, das Kriegspropaganda in den Unterricht bringt.
Wie kann man sich das vorstellen? Ganz einfach: Wertvolle Unterrichtsstunden werden für das Einpflanzen von Militärideologie in junge Köpfe geopfert. Ein Zustand, der in unserer heutigen Zeit, in der wir immer noch zwei Weltkriege nicht komplett aufgearbeitet haben, unerträglich scheint. Ein Jugendoffizier erscheint dann z. B. im Klassenraum. Er spricht von „Abenteuer“, „Kameradschaft“ und „Sinnstiftung“; macht damit Lust auf soziale Geborgenheit und gesellschaftliches Vertrauen und spricht damit vor allem jene Schülerinnen und Schüler an, die das in ihrem familiären Umfeld vermissen, denen die Gesellschaft eine andere – wirklich sinnvolle – Zukunft in Aussicht stellen sollte. Er erzählt vom „sicheren Arbeitsplatz Bundeswehr“ – wer wünscht sich das nicht – aber er sagt wahrscheinlich nichts von den psychischen Traumata, PTBS und den ethischen Konflikten, die mit dem Dienst an der Waffe verbunden sind.
Schülerinnen und Schüler müssen sich anhören, wie Kriegsdienst als positiv und erstrebenswert dargestellt wird; und das ohne jede Möglichkeit, sich dieser einseitigen Darstellung zu entziehen. Sie werden damit systematisch an das Militär gewöhnt, an Uniformen in der Öffentlichkeit als „normal“ und Obrigkeitshörigkeit als gute Eigenschaft.
Forschung für den Krieg? Hochschulen werden entmündigt
Besonders bedenklich ist die Abschaffung der Zivilklauseln an Hochschulen. Diese Klauseln hatten Universitäten bisher die Freiheit gegeben, ihre Forschung auf zivile Zwecke zu beschränken, wobei hier klar herausgestellt sein muss, dass sie nicht von allen bayerischen Hochschulen implementiert wurde, auch wenn es von Studierendenvertretungen oft gefordert worden war (die erste war die FAU Erlangen-Nürnberg, wo der Senat 2016 die Zivilklausel in das universitäre Leitbild integrierte).
„Die Zivilklausel ist mehr als ein Paragraf in der Satzung von Universitäten - sie ist ein friedensfördender Kompass, der uns als Gesellschaft daran erinnert, wofür wir Wissenschaft und Forschung betreiben.“
Richard Ströbel, Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsgegnerInnen (DFG-VK)
Das sog. Bundeswehr-Gesetz hebt die Freiheit auf, die eigene Forschung nicht-kriegerischen Zwecken zur Verfügung stellen zu wollen. Forschungsergebnisse dürfen auf Verlangen jetzt auch für Militärisches verwendet werden.
Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) warnt sogar noch vor allzu friedliebenden Bestrebungen: „Falsch verstandener Moral-Pazifismus und der erhobene Zeigefinger bringen uns keinen Schritt weiter.“ Doch, sagen wir, der erhobene Zeigefinger ist das Mindeste, wenn nicht ein Imperativ in dieser Angelegenheit und sollte sogar mitten in die Wunde, die aufgerissen wird, gelegt werden. Friedliche Wissenschaft wird hier als naiv und rückständig dargestellt. Auch der bayerische Studierendenrat kritisierte das Gesetz als „gravierenden Einschnitt in die Freiheit der Forschung“.
Wenn Forschung zur Kriegswaffe wird
Die Geschichtsvergessenheit unserer Landesregierung dürfte nicht überraschen. Auch für die Gefahr, die vom sog. Bundeswehr-Gesetz ausgeht, gibt es etliche Präzedenzfälle in der Geschichte. Das Manhattan-Projekt der 1940er Jahre war ein Paradebeispiel: Wissenschaftler arbeiteten in der Überzeugung, einen wissenschaftlichen Durchbruch zu schaffen. Das Ergebnis waren die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki – Zerstörung, Tod und unvorstellbares Leid.
Das bayerische Bundeswehrgesetz wiederholt denselben Fehler: Wissenschaft wird nicht mehr für den Frieden, sondern für den Krieg instrumentalisiert.
„Seit Jahrzehnten setzen wir uns in Bayern und bundesweit für Zivilklauseln ein, die Rüstungsforschung an Universitäten unterbinden. Forschende tragen Verantwortung dafür, dass Wissenschaft dem Wohle aller Menschen dient. Ein Zwang zur Militärforschung ist ein Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft sowie auf das Friedensgebot im Grundgesetz.“
Eduard Meusel, Wissenschaftler und Sprecher der Fachgruppe Hochschule und Forschung in der GEW Bayern
Minderjährige in der Bundeswehr: Ein Verstoß gegen Kinderrechte
Jedes Jahr werden in Deutschland hunderte Minderjährige für die Bundeswehr rekrutiert. Im Jahr 2024 waren es 2.203 – ein neuer Höchststand. Was veranlasst sie dazu? Viele wollen aus ihrem oft schweren Alltag ausbrechen und hoffen auf eine bessere Zukunft. Gerade Jugendliche mit prekären sozialen Hintergründen fühlen sich von der Verheißung auf Gemeinschaft, Zusammenhalt (gegen das gemeinsame Feindbild) und existentielle Sicherheit angezogen. Statt sich getrost auf den Sozialstaat verlassen zu können, auf das Sicherheitsnetz, das er spannen sollte, und statt daran zu glauben, dass es sich lohnt, gut in Schule, Ausbildung und Beruf zu sein, um sich verwirklichen zu können und ein wertvoller Mensch zu sein oder zu werden, sehen die zukünftigen Kindersoldatinnen und -soldaten keine andere Möglichkeit, als ihr Leben für ebendiesen Staat, der sie enttäuscht hat, aufs Spiel zu setzen. Absurd!
Durch das Gesetz werden immer mehr Minderjährige für eine Karriere im Militär begeistert werden und infolge als Multiplikator für andere Jugendliche dienen.
Die Vereinten Nationen kritisieren Deutschland seit Jahren für den Umgang mit minderjährigen Soldatinnen und Soldaten, die oft psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind. Doch das bayerische Gesetz fördert diese Praxis sogar noch.
Bildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe – und was das BSW fordert
Bildung soll Kinder und Jugendliche zu mündigen, reflektierten Bürgerinnen und Bürgern machen. Sie soll zum kritischen Denken anregen, zur Auseinandersetzung mit ethischen Fragen, zur Entwicklung von Empathie und Friedensfähigkeit. Doch ein Bildungssystem, in dem Soldatinnen und Soldaten als „Helden“ und der Militärdienst als „Abenteuer“ dargestellt werden, läuft dieser Aufgabe zuwider.
Warum sollten hochqualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dem Wissen an bayerischen Universitäten forschen, dass jederzeit und problemlos ihre Arbeit als Instrument für den Tod anderer Menschen verantwortlich sein könnte? Damit schwächt die bayerische Regierung den Wisschenschaftsstandort Bayern vehement.
Das BSW fordert, dass Bildung frei von militärischer Propaganda und kriegerischen Zwängen bleibt. Schulen und Universitäten sind Orte der Reflexion und des Friedens, nicht der Rekrutierung. Und Hochschulen müssen Orte der freien Forschung bleiben – die Schöpfungen großer Geister dürfen nicht gegen deren Willen als Waffe missbraucht werden.
Ein Gesetz gegen den Willen der Bürgerinnen und Bürger
Die bayerische Staatsregierung hat dieses Gesetz gegen den Widerstand der Bildungsgewerkschaft GEW, des Bayerischen Studierendenrats und zahlreicher Friedensorganisationen durchgedrückt. Ein Gesetz, das die Freiheit der Forschung und die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte zerstört.
Deswegen wurde im Februar 2025 eine Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. Initiiert wurde sie von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), unterstützt von zahlreichen weiteren Gruppen und prominenten Persönlichkeiten. Aus Würzburg unterstützt der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Würzburg die Klage. Die Entscheidung über die Klage steht noch aus, aber eines ist sicher: Die Diskussion um die Militarisierung der Bildung wird weitergehen.
Das BSW sagt klar:
Nein zur Militarisierung der Bildung.
Nein zur Kriegspropaganda in Klassenzimmern und Hörsälen.
Nein zum Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern!
Anm. d. Red. In vorliegendem Beitrag geht es vor allem um die Auswirkungen des „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern“, nachzulesen übrigens hier https://www.verkuendung-bayern.de/files/gvbl/2024/14/gvbl-2024-14.pdf auf Bildungseinrichtungen und damit verbundene Konsequenzen, wie in § 1 „Änderung des Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes“ und § 2 „Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen“ festgeschrieben. §§ 3-5 (Änderung des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes , Änderung des Bayerischen Landesplanungsgesetzes , Änderung der Bayerischen Bauordnung) sind hier nicht thematisiert, was in folgenden Beiträgen evtl. nachgeholt wird. Um sich auch mit diesen wichtigen Bestandteilen des Gesetzes auseinanderzusetzen, empfehle ich die IMI-Analyse 2024/07 „Patriotismus und Ökonomie. Bayern macht die Militarisierung zum Gesetz“ von Andreas Seifert.
(rhü)