5-%-Hürde verpasst und schlecht verloren? Wohl kaum!

Aktuelles
, 20. Juni 2025


Warum das BSW um eine Stimmen-Nachzählung und faire Wahlen kämpft

Bei der Bundestagswahl 2025 haben wir, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), laut amtlichem Endergebnis 4,98 % der Zweitstimmen erhalten. Es fehlten weniger als 9.000 Stimmen zur Fünf-Prozent-Hürde – nach Korrekturen und Teilnachzählungen, die uns bereits über 4.200 zusätzliche Stimmen eingebracht hatten. Ursprünglich lag der Rückstand bei über 13.000 Stimmen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass wir nicht an der Hürde gescheitert sind, sondern durch systematische Fehler und fehlende Kontrollmöglichkeiten von einem Bundestagsmandat ausgeschlossen wurden.

 

Stimmen in Bayern

Auch in Bayern war die Differenz zwischen vorläufigem und endgültigem Wahlergebnis für das BSW deutlich: Wir erhielten 854 zusätzliche Zweitstimmen, nachdem in 34 von 47 Wahlkreisen rechnerische Berichtigungen vorgenommen und in 13 Wahlkreisen reale Teil-Nachzählungen in 32 Bezirken durchgeführt wurden. Diese Ergebnisse zeigen: Fehler passieren – und sie benachteiligen häufig kleinere Parteien.

Frühzeitiger Hinweis auf Unregelmäßigkeiten

Wir hatten frühzeitig auf auffällige Ungereimtheiten hingewiesen: In einer Vielzahl bayerischer Wahllokale erhielt das BSW auffällig oft null Stimmen, während dort gleichzeitig überdurchschnittlich viele ungültige Zweitstimmen und auffällig hohe Ergebnisse für „Bündnis Deutschland“, eine kleine rechtsnationale Partei, gezählt wurden. In einem Schreiben vom 1. März 2025 an den Landeswahlleiter forderte der bayerische Landesgeschäftsführer René Hähnlein daher gezielte Prüfungen – auch, weil die Informationen, die uns von Wählerinnen und Wählern aus verschiedenen Wahlbezirken erreichten, nicht mit den amtlichen Ergebnissen übereinstimmten. So wurden oft 0 Stimmen für das BSW dokumentiert, wobei es in diesen Wahlbezirken nachweislich Wahlberechtigte gab, die das BSW gewählt haben.

Reaktion des Landeswahlleiters

In seiner Antwort vom 2. April 2025 erklärte der Bayerische Landeswahlleiter Dr. Gößl, dass sich die 854 zusätzlichen Stimmen für das BSW aus rechnerischen Berichtigungen in 34 von 47 Wahlkreisen (z. B. Zahlendreher, Übertragungsfehler) und Teil-Nachzählungen in 13 Wahlkreisen, konkret in 32 Urnen- oder Briefwahlbezirken, ergaben.

Er betonte in seinem Schreiben, das vorläufige Wahlergebnis basiere nur auf Schnellmeldungen, die bereits bei der Erfassung fehleranfällig seien. Das endgültige Ergebnis beruhe dagegen auf den vollständigen Niederschriften der Wahlvorstände, die von den Kreiswahlleitern geprüft werden.

Trotz der bereits aufgedeckten Unstimmigkeiten wies er die Forderung nach flächendeckender Nachzählung zurück, weil die Prüfpflicht allein bei den Kreiswahlleitungen liege und keine Anhaltspunkte für systematische Fehler gesehen würden. Eine vollständige Nachzählung aller Bezirke sei gesetzlich nicht vorgesehen und müsse durch den Wahlprüfungsausschuss des Bundestags angeordnet werden (zu der Krux an dieser Sache weiter unten). Die Unterlagen könnten nur auf Antrag und nicht im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzs eingesehen werden, weil Wahlorgane diesem nicht unterlägen.

Korrekturen im Kleinen – Ignoranz im Großen: Ein demokratisches Versagen

Diese Position bedeutet de facto: Obwohl bereits stichpobenartig erhebliche Fehler sichtbar wurden, wurde kein Anlass für eine umfassendere Nachzählung gesehen. Das ist aus unserer Sicht höchst problematisch.

Es wurden also lediglich vereinzelte Bezirke überprüft. Die Teil-Nachzählungen und Korrekturen führten zwar zu zusätzlichen Stimmen für uns – aber der Großteil der Wahlbezirke blieb unangetastet. Gerade in einem Flächenstaat wie Bayern mit über 15.500 Wahlbezirken (13.206 Urnen- + 2.359 Briefwahlbezirke) ergibt sich daraus ein enormes Potenzial für unerkannte Fehler.

 

So wurden nicht gezählte Stimmen nachträglich festgestellt

Bei der nachträglichen Prüfung und Korrektur der Erst- und Zweitstimmen haben die Landeswahlleitungen und einzelne Wahlgerichte zahlreiche kleine Zähl- und Übertragungsfehler entdeckt, durch die dem BSW zunächst Stimmen fehlten. Diese wurden bundesweit in mehreren Schritten korrigiert:

  1. Fehlerhafte Zuordnung in einzelnen Wahlbezirken
    In mehreren Bundesländern stellte man fest, dass Stimmen, die dem BSW zugestanden, irrtümlich anderen Parteien zugewiesen oder gar nicht erfasst worden waren. Allein in Nordrhein-Westfalen ergaben Stichproben-Neuauszählungen 1.295 zusätzliche Zweitstimmen für das BSW, in Brandenburg kamen 218 Stimmen hinzu. In einzelnen Wahlkreisen wie Aachen, dem Lahn-Dill-Kreis und Duisburg wurden weitere Stimmen nachgetragen, weil Stimmzettel falsch ausgewertet oder maschinell fehlerhaft eingelesen worden waren.
  2. Korrektur von Brief- und Auslandsstimmen
    Bei der Auswertung der Briefwahlunterlagen zeigte sich, dass sowohl verspätet eingegangene als auch nachträglich validierte Auslandsstimmen in einigen Bundesländern zunächst nicht vollständig berücksichtigt waren. Verzögerungen beim Versand und unterschiedliche technische Systeme bei den Auslandswahlbehörden führten dazu, dass gültige BSW-Stimmen erst in der endgültigen Erfassung auftauchten.
  3. Datenübertragungs- und Schreibfehler
    Zusätzliche Korrekturen ergaben sich durch manuelle Eingabefehler in Wahlcomputern und Tabellen­programmen: Zahlendreher oder falsche Summenformeln führten dazu, dass in der vorläufigen Auszählung Stimmen fehlten. Nach manueller Einsicht in die Originalprotokolle wurden diese Lücken behoben. Insgesamt summierten sich die nachträglich hinzugefügten Stimmen auf 4.277.

Durch diese kumulativen Korrekturen stieg das amtliche Endergebnis des BSW von zunächst 4,972 % auf 4,981 % der Zweitstimmen. Trotz des „Zuwachses“ blieben wir aber weiterhin knapp unter der 5-%-Hürde.

 

Stille Gefahr für die Demokratie

Wenn schon durch stichprobenartige Prüfungen über 4.200 Stimmen bundesweit – davon allein 854 in Bayern – nachträglich zu unseren Gunsten korrigiert wurden, liegt die Schlussfolgerung auf der Hand: Eine vollständige Nachzählung aller Wahlbezirke würde sehr wahrscheinlich das Kippen der 5-%-Hürde zugunsten des BSW bedeuten.

Für die Bundestagswahl 2025 wurden insgesamt rund 49,6 Mio. gültige Zweitstimmen abgegeben. 5 % davon entsprechen etwa 2 480 000 Stimmen. Nach den Korrekturen und Teilnachzählungen wuchs das amtliche Endergebnis des BSW auf 2 473 042 Stimmen, womit der Abstand zur 5-%-Marke auf rund 9.000 Stimmen schrumpfte.

Dass unser Wahlergebnis auf einem solch unsicheren Fundament steht, untergräbt das Vertrauen in demokratische Prozesse. Das Wahlrecht kennt keinen effektiven Mechanismus, mit dem wir eine flächendeckende Nachzählung erzwingen können – selbst dann nicht, wenn das Ergebnis rechnerisch offen ist. Die Folge: Eine Partei, die mit realistischer Wahrscheinlichkeit über 5 % liegt, bleibt vom Parlament ausgeschlossen. Das ist ein demokratischer Skandal.

 

Im Bundestag nichts Neues …

Wir haben natürlich Einspruch beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestages eingelegt. Dieser Ausschuss hat sich nun endlich konstituiert und trotzdem kann die Prüfung eines Wahleinspruchs mehrere Jahre dauern.
In früheren Fällen – wie etwa bei der Bundestagswahl 2005 oder der Teilwiederholung der Wahl 2021 in Berlin – zog sich das Verfahren über zwei bis vier Jahre hin. Bis dahin bleibt das aktuelle Wahlergebnis – trotz berechtigter Zweifel – in Kraft. Ein möglicher Fehler im Wahlergebnis wirkt sich somit dauerhaft aus; zumal eine Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erst möglich wird, wenn der Wahleinspruch vom Prüfungsausschuss des Bundestags abgelehnt wurde.

 

 

… and Justice For All? Fehlanzeige

Die Hoffnung auf eine zeitnahe und faire Bewertung der Lage durch den Wahlprüfungsausschuss ist also gering. Daher haben wir versucht, juristisch alles auszuschöpfen, was möglich war:

1. Eilantrag auf sofortige Neuauszählung beim Bundesverfassungsgericht
eingereicht im März 2025, abgelehnt im selben Monat

Dieser wurde abgelehnt – das Gericht sah im laufenden Prüfverfahren durch den Bundestag ausreichenden Rechtsschutz.

2. Verfassungsklage gegen das Bundeswahlgesetz
eingereicht im April 2025, abgewiesen im Juni 2025

Wir rügten, dass es keine Möglichkeit gibt, eine vollständige Nachzählung einzuklagen, selbst wenn das Wahlergebnis hauchdünn ausfällt und sich Indizien mehren, dass es zu Ungereimtheiten gekommen ist. Auch dieser Antrag wurde abgewiesen.

3. Organklage zur Stimmzettel-Reihenfolge und Rechtsweggleichheit

eingereicht im April 2025, nicht zur Entscheidung angenommen im Juni 2025
In dieser Klage kritisierten wir unter anderem, dass neue Parteien wie das BSW systematisch benachteiligt werden – etwa durch die Reihenfolge auf dem Stimmzettel (oft ganz unten) und durch die begrenzten Möglichkeiten zur rechtlichen Überprüfung eines Wahlergebnisses. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Klage nicht zur Entscheidung an und sah darin keine unmittelbare Verletzung parlamentarischer Mitwirkungsrechte.

Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kommentierte Sahra Wagenknecht so: „Das Bundeswahlrecht lässt keinen effektiven Schutz bei Fehlentscheidungen zu – das beschädigt das Vertrauen in demokratische Wahlen.“

 

Was wäre, wenn ganz Bayern nachgezählt würde?

In den 32 nachgezählten Wahlbezirken erhielten wir 854 zusätzliche Stimmen. Hochgerechnet auf alle 15.565 Wahlbezirke in Bayern ergibt sich:

26,6875 zusätzliche Stimmen je Wahlbezirk (845 : 32).

Auf Bayern mit 15.565 Wahlbezirken hochgerechnet: 415.390,9 zusätzliche Stimmen.

Zur Erinnerung: Bundesweit fehlen nur 9.000 Stimmen!

Und genau deshalb kämpfen wir weiter – für eine gerechte Auszählung, für demokratische Fairness und für das Vertrauen in unseren Rechtsstaat.

 

 

Wenn du mehr erfahren möchtest oder uns bei der Forderung nach einer vollständigen Nachzählung unterstützen willst: Bleib mit uns in Kontakt. Denn Demokratie beginnt mit einem fairen Wahlverfahren – und endet nicht an der Statistikgrenze von 4,98 %.

Text: Rebecca Hümmer

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